Diesen Sommer unternahm die Abteilung Wirtschafts-, Sozial- und Umweltgeschichte der Universität Bern eine einwöchige Studienreise nach Slowenien. Die Reise führte unter anderem in den nordwestlich von Ljubljana gelegenen Kurort Bled. Dort hatte sich bereits in der k.u.k.-Monarchie eine frühe Form des Wellnesstourismus herausgebildet. Zu den wichtigsten Pionieren dieser Entwicklung gehörte ein Schweizer Unternehmer und Lebensreformer aus Wangen an der Aare: Arnold Rikli eröffnete 1855 in dem für seine Mineralquellen bekannten Städtchen eine Kuranstalt für naturheilkundliche Wasseranwendungen. Berühmt wurde er jedoch für seine Licht-, Luft- und Sonnenkuren, die er ab den 1860er Jahren anbot. Rikli ging davon aus, dass der Reiz durch den direkten Kontakt des Körpers mit frischer Luft und Sonne einen "natürlichen" Heilungsprozess in Gang setzt. Dass die Gäste dafür möglichst unbekleidet sein sollten, stiess nicht überall auf Begeisterung. Dennoch verbreiteten sich seine Behandlungsmethoden bis zum Ende des Jahrhunderts in zahlreichen Naturheilanstalten in Europa und Nordamerika. So zum Beispiel im Sanatorium von Heinrich Lahmann im Dresdner Vorort Weißer Hirsch oder in John Harvey Kelloggs Battle Creek Sanatorium bei Chicago. Auch die Gründer des Monte Verità in Ascona, Ida Hofmann, Henri Oedenkoven und Karl Gräser, sollen sich bei einem Kuraufenthalt in Riklis Naturheilanstalt kennen gelernt haben. Später galt Rikli auch als wichtiger Wegbereiter der Freikörperkultur-Bewegung, die sich nach 1900 auszubreiten begann.
Getreu seinem Motto „Wasser tut’s freilich, höher jedoch steht die Luft und am höchsten das Licht“ baute Rikli in Bled ein modernes Kurhaus. Damit seine Gäste nackt in der Sonne liegen konnten, liess er sogenannte Lichtbäder errichten. Darüber hinaus ermöglichten zum See hin offene Lufthütten einen ständigen Aufenthalt im Freien. Diese Anlage sowie das grosszügige Kurhaus direkt am malerischen Bleder See sind heute nicht mehr erhalten. Die Ruine seiner Villa kann jedoch besichtigt werden. Sie liegt nur wenige Schritte von der Belder Promenade und dem Restaurant Kavarna Park entfernt, in dem die berühmte Bleder Cremeschnitte serviert wird. - Einen Vorläufer dieser Spezialität soll Rikli aus seiner Berner Heimat mitgebracht haben.
Mehrere Strassennamen, ein Wanderweg und ein Denkmal auf dem Hügel Straža erinnern in Bled noch heute an den Tourismuspionier Rikli. In jüngster Zeit besinnt sich die Stadt wieder vermehrt auf den Schweizer Lebensreformer. Dies ist sicher auch ein Verdienst von Vojko Zavodnik, der seit vielen Jahren auf das Erbe Arnold Riklis aufmerksam macht. Inzwischen bieten sogar einige luxuriöse Wellnesshotels wieder Rikli-Kuren mit historischen Behandlungsmethoden an. Und auch Riklis Heimatgemeinde Wangen an der Aare pflegt seit einigen Jahren Kontakte zu dem slowenischen Kurort.
Unsere Reise führte uns nach der Besichtigung der Rikli-Villa rund um den Bleder See, wo sich das Wetter leider nicht von seiner besten Seite zeigte. Und doch lässt der Blick über die Landschaft erahnen, warum es den Schweizer Lebensreformer Mitte des 19. Jahrhunderts gerade nach Bled verschlagen hatte.